von Gabriele Rittigmit Illustrationen von Marek Bláha
von Gabriele Rittigmit Illustrationen von Marek Bláha
71. Auflage 2024ISBN: 978-3-9505329-4-4© Fairyland Verlag e.U., Gablitz 2024www.fairyland-verlag.at, oice@fairyland-verlag.atAutorin: Gabriele RittigIllustrationen: Marek BláhaLayout, Satz & Herstellung: Fairyland Verlag e.U.Printed in the EUDas Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öentliche Zugänglichmachung.Gefördert durch das Land NiederösterreichInhaltsverzeichnisBöse Vorahnungen .................................................. 9Im Bannwald ........................................................... 22Tatinja ..................................................................... 31Tanekamm .............................................................. 44Bei Nacht und Nebel ............................................... 56Mit donnernder Stimme .......................................... 75Auf dem Heimweg .................................................. 83
71. Auflage 2024ISBN: 978-3-9505329-4-4© Fairyland Verlag e.U., Gablitz 2024www.fairyland-verlag.at, oice@fairyland-verlag.atAutorin: Gabriele RittigIllustrationen: Marek BláhaLayout, Satz & Herstellung: Fairyland Verlag e.U.Printed in the EUDas Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öentliche Zugänglichmachung.Gefördert durch das Land NiederösterreichInhaltsverzeichnisBöse Vorahnungen .................................................. 9Im Bannwald ........................................................... 22Tatinja ..................................................................... 31Tanekamm .............................................................. 44Bei Nacht und Nebel ............................................... 56Mit donnernder Stimme .......................................... 75Auf dem Heimweg .................................................. 83
9Böse VorahnungenKelvins Zähne klapperten vor Kälte. Eisiger Wind p ihm um die Ohren. Es war keine gute Idee gewesen, mitten in der Nacht durch den Wald zu schleichen, das wusste Kelvin. Warum er hier draußen im Bannwald war, das wusste er allerdings selbst nicht. Großmutter hatte ihn doch gewarnt. „Halte dich vom Bannwald fern. Dort lauert Gefahr. Wilde Bestien, Feuerelfen und sogar Trolle warten dort auf dich“, hatte sie gesagt, ihre Augen geweitet vor Entsetzen. Und dann hatte sie Geschichten erzählt, bei denen Kelvin die Haare zu Berge gestanden waren. Riesig, wie Felsblöcke sollten sie sein, die Stein-trolle aus dem Hochgebirge, die sich auch heute noch bis in den Bannwald vorwagen würden. Ein jeder einzelne so hässlich, dass man bei seinem Anblick tot umfallen würde. Kelvin hatte das alte rostige Schwert seines Groß-vater von der Wand gerissen und sich kampfbereit in
9Böse VorahnungenKelvins Zähne klapperten vor Kälte. Eisiger Wind p ihm um die Ohren. Es war keine gute Idee gewesen, mitten in der Nacht durch den Wald zu schleichen, das wusste Kelvin. Warum er hier draußen im Bannwald war, das wusste er allerdings selbst nicht. Großmutter hatte ihn doch gewarnt. „Halte dich vom Bannwald fern. Dort lauert Gefahr. Wilde Bestien, Feuerelfen und sogar Trolle warten dort auf dich“, hatte sie gesagt, ihre Augen geweitet vor Entsetzen. Und dann hatte sie Geschichten erzählt, bei denen Kelvin die Haare zu Berge gestanden waren. Riesig, wie Felsblöcke sollten sie sein, die Stein-trolle aus dem Hochgebirge, die sich auch heute noch bis in den Bannwald vorwagen würden. Ein jeder einzelne so hässlich, dass man bei seinem Anblick tot umfallen würde. Kelvin hatte das alte rostige Schwert seines Groß-vater von der Wand gerissen und sich kampfbereit in
10 11der Mitte der kleinen Hütte aufgestellt. „Sollen sie nur kommen, diese stinkenden Trolle. Ich hab keine Angst!“, hatte er gerufen. Großmutter hatte nur milde gelächelt. „Lass uns bloß hoen, dass du niemals einem Troll begegnest. Und wenn doch, wirf das Schwert weg und lauf, so schnell du kannst.“ Er würde nicht davonlaufen. Er war doch kein Hasen- fuß! Bis jetzt war er allerdings noch keinem Troll be-gegnet. Bis jetzt war er aber auch noch nicht so dumm gewesen, bei Nacht im Bannwald herumzuirren. Wieso war er hier? Es hatte irgendetwas mit seiner Schwester zu tun. Aber was?Ein Ast knackte im Unterholz und dann noch einer. Kelvin starrte in die Dunkelheit und versuchte, etwas zu erkennen. Aber da war nur Schwärze. Hätte er doch Jarvens Sehkraft, dachte er nicht zum ersten Mal. Aber er war nun einmal kein Elf so wie sein bester Freund. Jarven hatte die Augen einer Wildkatze und er bewegte sich genauso geschmeidig. Wo war der Elfenjunge eigentlich? Sie waren doch gemeinsam aufgebrochen. Kelvin wagte allerdings zu bezweifeln, dass Jarven so dumm wäre, den Bannwald zu betreten. Der Bannwald war nämlich das Territorium der Feuerelfen. Vor denen musste man sich beinahe so sehr in Acht nehmen wie vor Trollen. Der Unterschied zwischen ihnen war nur, dass Feuerelfen kein Menscheneisch fraßen.Kelvin drehte sich um und prallte gegen einen Stein-block, der noch kurz zuvor nicht da gewesen war. Der Steinblock bewegte sich. Und er grunzte! Ganz langsam hob Kelvin den Kopf und blickte in das aufgerissene Maul eines riesigen Trolls. Ein lauter Schrei entfuhr ihm, als ihn riesige Pranken packten und unsanft rüttelten.„Wach auf, Kelvin. Es ist Zeit zu gehen.“ Jarvens Stimme klang wie aus weiter Ferne. Der Elfenjunge kniete neben ihm im hohen Gras und rüttelte ihn an den Schultern. Kelvin sprang auf und sah sich nach allen Seiten um. Wo war der Troll? Es dauerte eine Weile, bis ihm auel, dass es gar nicht Nacht und er nicht im Bannwald war. Es war ein Traum, zum Glück! Langsam beruhigte sich sein rasender Herzschlag und er erinnerte sich wieder. Sie hatten auf einer Anhöhe unweit ihres Dorfes Pran Rast
10 11der Mitte der kleinen Hütte aufgestellt. „Sollen sie nur kommen, diese stinkenden Trolle. Ich hab keine Angst!“, hatte er gerufen. Großmutter hatte nur milde gelächelt. „Lass uns bloß hoen, dass du niemals einem Troll begegnest. Und wenn doch, wirf das Schwert weg und lauf, so schnell du kannst.“ Er würde nicht davonlaufen. Er war doch kein Hasen- fuß! Bis jetzt war er allerdings noch keinem Troll be-gegnet. Bis jetzt war er aber auch noch nicht so dumm gewesen, bei Nacht im Bannwald herumzuirren. Wieso war er hier? Es hatte irgendetwas mit seiner Schwester zu tun. Aber was?Ein Ast knackte im Unterholz und dann noch einer. Kelvin starrte in die Dunkelheit und versuchte, etwas zu erkennen. Aber da war nur Schwärze. Hätte er doch Jarvens Sehkraft, dachte er nicht zum ersten Mal. Aber er war nun einmal kein Elf so wie sein bester Freund. Jarven hatte die Augen einer Wildkatze und er bewegte sich genauso geschmeidig. Wo war der Elfenjunge eigentlich? Sie waren doch gemeinsam aufgebrochen. Kelvin wagte allerdings zu bezweifeln, dass Jarven so dumm wäre, den Bannwald zu betreten. Der Bannwald war nämlich das Territorium der Feuerelfen. Vor denen musste man sich beinahe so sehr in Acht nehmen wie vor Trollen. Der Unterschied zwischen ihnen war nur, dass Feuerelfen kein Menscheneisch fraßen.Kelvin drehte sich um und prallte gegen einen Stein-block, der noch kurz zuvor nicht da gewesen war. Der Steinblock bewegte sich. Und er grunzte! Ganz langsam hob Kelvin den Kopf und blickte in das aufgerissene Maul eines riesigen Trolls. Ein lauter Schrei entfuhr ihm, als ihn riesige Pranken packten und unsanft rüttelten.„Wach auf, Kelvin. Es ist Zeit zu gehen.“ Jarvens Stimme klang wie aus weiter Ferne. Der Elfenjunge kniete neben ihm im hohen Gras und rüttelte ihn an den Schultern. Kelvin sprang auf und sah sich nach allen Seiten um. Wo war der Troll? Es dauerte eine Weile, bis ihm auel, dass es gar nicht Nacht und er nicht im Bannwald war. Es war ein Traum, zum Glück! Langsam beruhigte sich sein rasender Herzschlag und er erinnerte sich wieder. Sie hatten auf einer Anhöhe unweit ihres Dorfes Pran Rast
13gemacht. Die Sonne stand bereits tief über dem Hoch-gebirge. Jarven hatte recht. Die Dämmerung nahte. Es war höchste Zeit zu gehen. „Was hast du geträumt?“, wollte Jarven wissen, als sie bereits auf dem Weg zum Dorf waren.„Ach, nichts, nur irgendwelchen Unsinn“, murmelte Kelvin. Er hatte keine Lust, über seinen Albtraum zu sprechen. Jarven konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du solltest nicht zu sehr auf Momos Geschichten hören. Trolle sind in diesem Gebiet schon seit vielen Wintern nicht mehr gesehen worden.“ „Wer hat denn was von Trollen gesagt?“, entgegnete Kelvin abwehrend. Aber schon bei dem Gedanken an das grauhäutige Ungeheuer aus seinem Traum wurde ihm ganz mulmig zumute. Es schien, als könnte er den stinkenden Atem des Trolls immer noch riechen. Es stimmte, die letzten Trolle waren in diesem Tal gesehen worden, als Momo, so wurde Kelvins Großmutter von allen genannt, noch ein Kind gewesen war. Doch der Troll in seinem Traum hatte sehr real gewirkt. Den Weg über die letzte Hügel-kuppe legten sie schweigend zurück.Plötzlich blieb Jarven stehen. „Riechst du das auch?“ Jarven sog prüfend die Luft durch die Nase.Kelvin schüttelte den Kopf. „Was riechst du?“ Wenn sich Jarven Körper so anspannte, stimmte etwas nicht. „Rauch“, antwortete Jarven.Nun hielt auch Kelvin die Nase in den Wind. Er konnte keinen Rauch riechen. Doch im nächsten Augenblick ertönte ein Hornsignal. Es kam aus Pran. Zwei lang gezogene Töne, gefolgt von einem kurzen. Das war ein Alarmsignal!Die beiden Jungen rannten los. Wie immer hatte Kelvin Mühe, mit Jarven Schritt zu halten. Der Elfenjunge
13gemacht. Die Sonne stand bereits tief über dem Hoch-gebirge. Jarven hatte recht. Die Dämmerung nahte. Es war höchste Zeit zu gehen. „Was hast du geträumt?“, wollte Jarven wissen, als sie bereits auf dem Weg zum Dorf waren.„Ach, nichts, nur irgendwelchen Unsinn“, murmelte Kelvin. Er hatte keine Lust, über seinen Albtraum zu sprechen. Jarven konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Du solltest nicht zu sehr auf Momos Geschichten hören. Trolle sind in diesem Gebiet schon seit vielen Wintern nicht mehr gesehen worden.“ „Wer hat denn was von Trollen gesagt?“, entgegnete Kelvin abwehrend. Aber schon bei dem Gedanken an das grauhäutige Ungeheuer aus seinem Traum wurde ihm ganz mulmig zumute. Es schien, als könnte er den stinkenden Atem des Trolls immer noch riechen. Es stimmte, die letzten Trolle waren in diesem Tal gesehen worden, als Momo, so wurde Kelvins Großmutter von allen genannt, noch ein Kind gewesen war. Doch der Troll in seinem Traum hatte sehr real gewirkt. Den Weg über die letzte Hügel-kuppe legten sie schweigend zurück.Plötzlich blieb Jarven stehen. „Riechst du das auch?“ Jarven sog prüfend die Luft durch die Nase.Kelvin schüttelte den Kopf. „Was riechst du?“ Wenn sich Jarven Körper so anspannte, stimmte etwas nicht. „Rauch“, antwortete Jarven.Nun hielt auch Kelvin die Nase in den Wind. Er konnte keinen Rauch riechen. Doch im nächsten Augenblick ertönte ein Hornsignal. Es kam aus Pran. Zwei lang gezogene Töne, gefolgt von einem kurzen. Das war ein Alarmsignal!Die beiden Jungen rannten los. Wie immer hatte Kelvin Mühe, mit Jarven Schritt zu halten. Der Elfenjunge
14 15schien über den Waldboden zu iegen. Mittlerweile konnte Kelvin den Rauch nicht nur riechen, sondern auch sehen. Unheilvoll standen die dicken Schwaden über dem Dorf, durchsetzt von ammenden Zungen, die sich ihren Weg von Hütte zu Hütte fraßen. Zwischen ihnen bewegten sich riesige graue Kreaturen.„Trolle!“, keuchte Jarven entsetzt. „Trolle“, üsterte Kelvin. Genauso hatten sie in seinem Traum ausgesehen. Und da wusste Kelvin plötzlich, was ihm im Traum nicht eingefallen war. „Elsa! Sie sind gekommen, um Elsa zu holen“, stammelte er. „Wie kommst du darauf?“, wollte Jarven wissen. „Mein Traum…“ Kelvin sah Jarven ehend an. „Bitte, glaub mir. Elsa ist in Gefahr und Momo ist auch dort unten. Ich muss zu ihnen.“ „Gut, dann suchen wir sie“, stimmte Jarven zu und sie liefen los. Doch in Pran angekommen, standen sie vor einem Problem. Die Hütte, die Kelvin mit seiner kleinen Schwester und seiner Großmutter bewohnte, lag am anderen Ende des Dorfes. Bis dorthin würden sie es niemals schaen, denn die Trolle waren überall und schwangen ihre scharfkantigen steinernen Keulen. Sie schienen etwas zu suchen. „Komm mit, wir nehmen den Weg durchs Wasser!“, rief Jarven und gab Kelvin ein Zeichen. Der Fluss war eiskalt, doch Kelvin spürte es kaum. Sein dunkles Haar hing ihm nass ins Gesicht, als er kurze Zeit später aus dem Wasser kletterte. Er hatte zwar im reißenden Wasser seinen Bogen verloren, doch Jarvens Plan war aufgegangen. Sie hatten es unbehelligt bis knapp vor die Hütte geschat. Oder besser gesagt vor den Trümmer haufen, der einst sein Zuhause gewesen war. Das Dach der Hütte war eingestürzt, vermutlich von einem Keulenschlag. Die Eingangstüre hing schief und wurde nur noch von einem verkeilten Holzstück ge-halten. Auch die Lehmwände hatten tiefe Einkerbungen.„Momo, Elsa, wo seid ihr!?“ Kelvins Stimme überschlug sich fast vor Panik. Ohne sich umzublicken, lief er in die Hütte. „Pass auf, hinter dir!“, warnte ihn Jarven. Instinktiv ließ sich Kelvin auf den Boden fallen.
14 15schien über den Waldboden zu iegen. Mittlerweile konnte Kelvin den Rauch nicht nur riechen, sondern auch sehen. Unheilvoll standen die dicken Schwaden über dem Dorf, durchsetzt von ammenden Zungen, die sich ihren Weg von Hütte zu Hütte fraßen. Zwischen ihnen bewegten sich riesige graue Kreaturen.„Trolle!“, keuchte Jarven entsetzt. „Trolle“, üsterte Kelvin. Genauso hatten sie in seinem Traum ausgesehen. Und da wusste Kelvin plötzlich, was ihm im Traum nicht eingefallen war. „Elsa! Sie sind gekommen, um Elsa zu holen“, stammelte er. „Wie kommst du darauf?“, wollte Jarven wissen. „Mein Traum…“ Kelvin sah Jarven ehend an. „Bitte, glaub mir. Elsa ist in Gefahr und Momo ist auch dort unten. Ich muss zu ihnen.“ „Gut, dann suchen wir sie“, stimmte Jarven zu und sie liefen los. Doch in Pran angekommen, standen sie vor einem Problem. Die Hütte, die Kelvin mit seiner kleinen Schwester und seiner Großmutter bewohnte, lag am anderen Ende des Dorfes. Bis dorthin würden sie es niemals schaen, denn die Trolle waren überall und schwangen ihre scharfkantigen steinernen Keulen. Sie schienen etwas zu suchen. „Komm mit, wir nehmen den Weg durchs Wasser!“, rief Jarven und gab Kelvin ein Zeichen. Der Fluss war eiskalt, doch Kelvin spürte es kaum. Sein dunkles Haar hing ihm nass ins Gesicht, als er kurze Zeit später aus dem Wasser kletterte. Er hatte zwar im reißenden Wasser seinen Bogen verloren, doch Jarvens Plan war aufgegangen. Sie hatten es unbehelligt bis knapp vor die Hütte geschat. Oder besser gesagt vor den Trümmer haufen, der einst sein Zuhause gewesen war. Das Dach der Hütte war eingestürzt, vermutlich von einem Keulenschlag. Die Eingangstüre hing schief und wurde nur noch von einem verkeilten Holzstück ge-halten. Auch die Lehmwände hatten tiefe Einkerbungen.„Momo, Elsa, wo seid ihr!?“ Kelvins Stimme überschlug sich fast vor Panik. Ohne sich umzublicken, lief er in die Hütte. „Pass auf, hinter dir!“, warnte ihn Jarven. Instinktiv ließ sich Kelvin auf den Boden fallen.
17Es zischte, als die Keule nur eine Handbreit an seinem Kopf vorbeisauste und sich tief in den Boden eingrub. Ein Troll stand über ihm und erhob die Keule erneut zum Schlag. Nein, das hier war kein Traum. Es geschah tatsächlich. Aus dem Augen winkel sah er, wie seine Großmutter versuchte, sich mühsam aus der Hütte zu schleppen.Wieder sauste die Keule auf ihn nieder. Kelvin wälzte sich zur Seite und entkam so dem zweiten Keulenhieb. Einem dritten würde er aber wohl nicht mehr auswei-chen können. Der Troll holte erneut aus. Da og ein Pfeil durch die Luft und blieb im Oberarm des Steintrolls stecken. Ärgerlich grunzend zog der Troll den Pfeil aus seinem Arm und zerbrach ihn wie einen Strohhalm zwischen seinen Fingern. „Hierher, du stinkendes Riesenmonster!“, rief Jarven und hüpfte mit winkenden Armen vor dem Troll auf und ab. Das Ablenkungsmanöver funktionierte. Der Troll ließ von Kelvin ab und stapfte in Jarvens Richtung. „Bring Momo in Sicherheit. Ich lenk den Riesentrottel
17Es zischte, als die Keule nur eine Handbreit an seinem Kopf vorbeisauste und sich tief in den Boden eingrub. Ein Troll stand über ihm und erhob die Keule erneut zum Schlag. Nein, das hier war kein Traum. Es geschah tatsächlich. Aus dem Augen winkel sah er, wie seine Großmutter versuchte, sich mühsam aus der Hütte zu schleppen.Wieder sauste die Keule auf ihn nieder. Kelvin wälzte sich zur Seite und entkam so dem zweiten Keulenhieb. Einem dritten würde er aber wohl nicht mehr auswei-chen können. Der Troll holte erneut aus. Da og ein Pfeil durch die Luft und blieb im Oberarm des Steintrolls stecken. Ärgerlich grunzend zog der Troll den Pfeil aus seinem Arm und zerbrach ihn wie einen Strohhalm zwischen seinen Fingern. „Hierher, du stinkendes Riesenmonster!“, rief Jarven und hüpfte mit winkenden Armen vor dem Troll auf und ab. Das Ablenkungsmanöver funktionierte. Der Troll ließ von Kelvin ab und stapfte in Jarvens Richtung. „Bring Momo in Sicherheit. Ich lenk den Riesentrottel
18 19hier ab. Wir treen uns anschließend im Wald.“Kelvin nickte und rappelte sich auf, während Jarven wie der Blitz davonsauste. Kelvin bewunderte seinen Freund, der gar keine Angst zu haben schien. Es sah beinahe so aus, als mache ihm die Verfolgungsjagd Spaß.„Wo ist Elsa?“, fragte Kelvin, während er seiner Groß-mutter aufhalf. Sie hatte eine böse Schramme an der Stirn. „Die Trolle haben sie mitgenommen“, stammelte sie unter Tränen. Genau das hatte Kelvin befürchtet. Am liebsten hätte er sich gleich auf die Suche nach seiner Schwester gemacht. Doch er musste seine Großmutter in Sicherheit bringen. Die alte Frau konnte ohne seine Hilfe keinen Schritt gehen. Es dämmerte bereits, als sie den schützenden Wald hinter der Hütte erreichten. Hier standen die Bäume dicht an dicht und boten einen guten Schutz gegen die Trolle. Kelvin führte seine Großmutter zu einem Baumstumpf und half ihr, sich zu setzen. Und während Kelvin ihre Wunde versorgte, erfuhr er, was passiert war.Wie aus dem Nichts waren die Trolle plötzlich aufge-taucht. „Sie haben Elsa aus der Hütte gezerrt“, erzählte Momo mit bebender Stimme. „Ich konnte es nicht verhindern.“ Ein Knacken im Unterholz ließ Kelvin hochfahren. Stand etwa schon wieder ein Troll hinter ihm, so wie in seinem Albtraum? Zum Glück war es Jarven, und er war nicht alleine. Er hatte den Müller des Dorfes und seine Frau mit dabei. Beide hatten rußverschmierte Gesichter und sahen mitgenommen aus. Angst und blankes Ent-setzen standen in ihren Augen.„Hast du Elsa gefunden?“, fragte Momo mit zittriger Stimme. „Ich hab sie gesehen“, berichtete Jarven. „Sie lebt. Doch ich konnte nichts für sie tun. Es waren einfach zu viele Trolle. Sie haben Elsa in einen Gitterkarren gesperrt und mit ihr den Fluss durchquert. Ich konnte ihre Sprache nicht verstehen. Nur das Wort Tanekamm habe ich immer wieder herausgehört.“„Sie bringen sie zum Trollkönig?“ Momos Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Dann ist sie verloren.“
18 19hier ab. Wir treen uns anschließend im Wald.“Kelvin nickte und rappelte sich auf, während Jarven wie der Blitz davonsauste. Kelvin bewunderte seinen Freund, der gar keine Angst zu haben schien. Es sah beinahe so aus, als mache ihm die Verfolgungsjagd Spaß.„Wo ist Elsa?“, fragte Kelvin, während er seiner Groß-mutter aufhalf. Sie hatte eine böse Schramme an der Stirn. „Die Trolle haben sie mitgenommen“, stammelte sie unter Tränen. Genau das hatte Kelvin befürchtet. Am liebsten hätte er sich gleich auf die Suche nach seiner Schwester gemacht. Doch er musste seine Großmutter in Sicherheit bringen. Die alte Frau konnte ohne seine Hilfe keinen Schritt gehen. Es dämmerte bereits, als sie den schützenden Wald hinter der Hütte erreichten. Hier standen die Bäume dicht an dicht und boten einen guten Schutz gegen die Trolle. Kelvin führte seine Großmutter zu einem Baumstumpf und half ihr, sich zu setzen. Und während Kelvin ihre Wunde versorgte, erfuhr er, was passiert war.Wie aus dem Nichts waren die Trolle plötzlich aufge-taucht. „Sie haben Elsa aus der Hütte gezerrt“, erzählte Momo mit bebender Stimme. „Ich konnte es nicht verhindern.“ Ein Knacken im Unterholz ließ Kelvin hochfahren. Stand etwa schon wieder ein Troll hinter ihm, so wie in seinem Albtraum? Zum Glück war es Jarven, und er war nicht alleine. Er hatte den Müller des Dorfes und seine Frau mit dabei. Beide hatten rußverschmierte Gesichter und sahen mitgenommen aus. Angst und blankes Ent-setzen standen in ihren Augen.„Hast du Elsa gefunden?“, fragte Momo mit zittriger Stimme. „Ich hab sie gesehen“, berichtete Jarven. „Sie lebt. Doch ich konnte nichts für sie tun. Es waren einfach zu viele Trolle. Sie haben Elsa in einen Gitterkarren gesperrt und mit ihr den Fluss durchquert. Ich konnte ihre Sprache nicht verstehen. Nur das Wort Tanekamm habe ich immer wieder herausgehört.“„Sie bringen sie zum Trollkönig?“ Momos Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Dann ist sie verloren.“
20 21Auch Kelvin wurde bleich. Er hatte genügend Ge-schichten über Tanekamm und die Trollburg im Hoch-gebirge gehört und über den blutrünstigen Trollkönig. Entschlossen stand er auf. „Ich hol sie zurück“, sagte er und versuchte, seiner Stimme so viel Selbstsicherheit wie nur irgend möglich zu geben. „Wer kommt mit?“„Das geht nicht, Junge“, warf der Schmied des Dorfes ein. Er und einige andere Dorfbewohner hatten ebenfalls den Weg in den Wald gefunden. „Wir müssten durch den Bannwald. Niemand betritt den Bannwald. Dieser Wald ist böse. Wer dort hineingeht, kehrt nie wieder zurück. Du kennst doch die Geschichten.“ Kelvin kannte sie alle. Momo hatte sie in unzähligen Winternächten am warmen Feuer erzählt. Aber er wusste auch, dass es der einzige Weg war, der ins Hochgebirge und somit nach Tanekamm führte. „Ich habe keine Angst vor dem Wald“, sagte er beinahe trotzig. „Und wie steht es um die Feuerelfen? Hast du vor denen auch keine Angst?“, wollte die Frau des Müllers wissen. Die Feuerelfen, das war eine andere Sache. Niemand hatte je Feuerelfen gesehen, selbst Jarven nicht. Sie waren die Wächter des Bannwaldes, der jenseits des Flusses begann. Kelvin wusste, dass selbst die Lichtelfen, wie Jarven einer war, den Bannwald nicht betraten. Es würde also eine Reise sein, auf der unsägliche Gefahren lau-erten. Doch das war nun einmal nicht zu ändern. Denn er würde nicht tatenlos hier herumsitzen und sich damit abnden, dass seine Schwester verloren war.„Ich komme mit dir“, sagte Jarven und schulterte seinen Bogen. „Seid vernünftig und bleibt hier“, beschwor sie der Schmied. „Zwei Jungen haben gegen diese Trolle keine Chance. Deine Schwester ist verloren. Das ist Schicksal, akzeptiere es.“ Kelvin starrte den Schmied wütend an. „Das werde ich nicht tun. Ich gehe und ich bringe sie zurück.“ Der Schmied zuckte resignierend die Schultern. „Dann viel Glück, Junge, du wirst es brauchen.“
20 21Auch Kelvin wurde bleich. Er hatte genügend Ge-schichten über Tanekamm und die Trollburg im Hoch-gebirge gehört und über den blutrünstigen Trollkönig. Entschlossen stand er auf. „Ich hol sie zurück“, sagte er und versuchte, seiner Stimme so viel Selbstsicherheit wie nur irgend möglich zu geben. „Wer kommt mit?“„Das geht nicht, Junge“, warf der Schmied des Dorfes ein. Er und einige andere Dorfbewohner hatten ebenfalls den Weg in den Wald gefunden. „Wir müssten durch den Bannwald. Niemand betritt den Bannwald. Dieser Wald ist böse. Wer dort hineingeht, kehrt nie wieder zurück. Du kennst doch die Geschichten.“ Kelvin kannte sie alle. Momo hatte sie in unzähligen Winternächten am warmen Feuer erzählt. Aber er wusste auch, dass es der einzige Weg war, der ins Hochgebirge und somit nach Tanekamm führte. „Ich habe keine Angst vor dem Wald“, sagte er beinahe trotzig. „Und wie steht es um die Feuerelfen? Hast du vor denen auch keine Angst?“, wollte die Frau des Müllers wissen. Die Feuerelfen, das war eine andere Sache. Niemand hatte je Feuerelfen gesehen, selbst Jarven nicht. Sie waren die Wächter des Bannwaldes, der jenseits des Flusses begann. Kelvin wusste, dass selbst die Lichtelfen, wie Jarven einer war, den Bannwald nicht betraten. Es würde also eine Reise sein, auf der unsägliche Gefahren lau-erten. Doch das war nun einmal nicht zu ändern. Denn er würde nicht tatenlos hier herumsitzen und sich damit abnden, dass seine Schwester verloren war.„Ich komme mit dir“, sagte Jarven und schulterte seinen Bogen. „Seid vernünftig und bleibt hier“, beschwor sie der Schmied. „Zwei Jungen haben gegen diese Trolle keine Chance. Deine Schwester ist verloren. Das ist Schicksal, akzeptiere es.“ Kelvin starrte den Schmied wütend an. „Das werde ich nicht tun. Ich gehe und ich bringe sie zurück.“ Der Schmied zuckte resignierend die Schultern. „Dann viel Glück, Junge, du wirst es brauchen.“